Sex, Drugs…..und Golf/Artikel in der NZZ vom 11.9.2019

Brooks Koepka, die Nummer 1 der Weltrangliste im Golf, ist «not amused», wie die Gentlemen Golfers sagen würden, die anno 1744 im schottischen Leith das erste offizielle Golfturnier ausspielten. «Ich fasse es nicht», sagte Koepka, «Golf ist die einzige Sportart, bei der man mit Männern aus anderen Generationen und ihrem Verhalten verglichen wird. In dieser Beziehung ist Golf schon ziemlich komisch.» Was ist passiert?

Der 29-jährige Amerikaner Koepka wurde in einem Magazin des Sportportals ESPN, das am 4. September veröffentlicht wurde, nackt abgebildet. Der Amerikaner hat dafür von Kollegen und Fans reichlich Kritik eingesteckt: «Ich hatte viele Leute auf Twitter und Instagram, die mich gefragt haben, wie ich so etwas hätte tun können. Männer wie Arnold Palmer, Jack Nicklaus oder so würden das nie gemacht haben», sagte der Major-Sieger Koepka über die Reaktionen.

Koepka ist nicht der einzige Sportstar in dem Magazin, das alljährlich mit seinen Nacktfotos für Furore sorgt. Insgesamt 17 Athleten oder Sportlergruppen sind abgebildet. Der Fussballer Kelley O’Hara ist unter ihnen oder fünf Footballer der Philadelphia Eagles. Koepka ist auch nicht der erste nackte Golfstar. Gary Player, neunfacher Major-Champion, posierte 2013 mit immerhin 77 Jahren für die Kameras. Suzann Pettersen, die in dieser Woche beim Solheim-Cup in Schottland für Europa startet, war 2012 eines der nackten Models. Niemand von ihnen war zum Zeitpunkt des Fotoshootings allerdings sportlich nur annähernd so erfolgreich wie Koepka, der vier der letzten neun Major-Turniere gewann und in diesem Jahr «Player of the Year» der US PGA Tour wurde.

Die Klatschpresse freut sich

Die Gentlemen Golfers aus Edinburg, die übrigens 1744 auch die ersten 13 Regeln des Golfsports formulierten, würden sich im Grab umdrehen: Der Golfsport fett in den Schlagzeilen – aber nicht, weil der weltbeste Spieler so grossartig Golf spielt, sondern weil er nackt den Golfschläger schwingt. Hinzu kommt, dass dies nicht die einzigen verstörenden Schlagzeilen sind, die die Traditionalisten des Golfsports im Moment hinnehmen müssen. In der britischen Klatschpresse wird derzeit auch der Justizfall des ThorbjØrn Olesen breitgetreten, zurzeit die Nummer 68 der Weltrangliste, fünffacher Gewinner auf der PGA European Tour und wie Koepka Mitglied des siegreichen Ryder-Cup-Teams von 2018. Einer, der also irgendwie verinnerlicht haben sollte, dass Golf zu den wenigen Sportarten gehört, die man als Gentlemen’s Game bezeichnet.

Der Däne Olesen wird am 18. September vor den Richtern des Isleworth Crown Court in London antreten, weil er auf dem Rückflug vom WGC-Fedex St. Jude Invitational in Memphis am 29. Juli nicht nur angeblich eine Passagierin in der ersten Klasse begrapschte und auf den Nacken küsste, sondern ausserdem in den Gang des Flugzeugs urinierte, Passagiere und die Crew anschrie – das alles in stark betrunkenem Zustand. Der Kollege Ian Poulter verpasste zumindest einen Teil des Auftritts, weil er ein paar Reihen weiter vorne schlief. Olesen ist jetzt unter anderem wegen sexueller Belästigung angeklagt, es droht eine Haftstrafe. Der Angeklagte plädiert allerdings auf nichtschuldig. Die PGA European Tour hat ihn ohne Kommentar erst einmal suspendiert.

Schwere Zeiten also für das Golfspiel, das sich seit Jahrzehnten zunehmend in der Klemme sieht zwischen der hochmoralischen Anforderung, sich als eine Sportart zu erweisen für Athleten, die sich zu benehmen wissen, und den hochbezahlten Akteuren Woods und Co., die für Skandale in Serie gut sind. Wir denken an den Sexskandal von ­Tiger Woods, der 2009 für Aufsehen sorgte, oder die Drogensucht des Ex-Weltranglistenersten Dustin Johnson, die 2014 zu einer Zwangspause auf der US PGA Tour führte. Die Arbeitgeber der Profigolfer, die Profitouren dieser Welt, reden ungern über Doping, Drogensucht und Sexaffären, viel lieber verordnen sie ihren millionenschweren Spielern in der Regel stattdessen etwas Urlaub. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Social Media allerdings macht der Geheimniskrämerei immer mehr einen Strich durch die Rechnung, weshalb das wahre Benehmen so mancher Profis zunehmend entlarvt wird. Bestes Beispiel: der Ryder-Cup 2018 im französischen «Le Golf National»-Klub. Bei der Abendveranstaltung zum Auftakt im Schloss Versailles schritten Brooks ­Koepka und Freundin Jena Sims genauso wie Dustin Johnson mit Frau Paulina im Smoking und in grosser Abendgarderobe die Stufen des Schlosses herauf. Vier Tage später, bei der Siegesfeier der Amerikaner, fingen Koepka und Johnson an, sich mitten auf der Veranstaltung zu prügeln – weil es, so die Aussage von Beteiligten, Ärger über das gemeinsame Verhältnis zu Paulina gab. Auch diese Story war danach in allen Klatschblättern diesseits und jenseits des Atlantiks zu lesen.

Moral und Integrität

Derweil kämpft sich der Normalgolfer übrigens mit den Etikettevorgaben auf dem Golfplatz ab. Da geht es um Themen wie: Wer hat die Ehre am nächsten Abschlag? und: Ist es unhöflich, wenn man beim Schlag des Freundes einmal kurz ins Taschentuch schnupft? Die indische «Sunday Times» schrieb dazu vor gar nicht langer Zeit: «Die Freude des Spiels besteht in dem angemessenen Verhalten der Spieler im Sinne von Wettbewerb, gefühlter Moral, sozialer Integrität und Kameradschaft.»