Das Aus für Woods – die Golfszene steckt im Dilemma

Gänsehautmomente hat Tiger Woods gepachtet. Im positiven wie im negativen Sinn. Und so geht das Bild des geschrotteten SUVS, in dem der 45jährige am Dienstag verunglückte, rasend schnell um die Welt. Es findet einen Platz in den großen Abendnachrichten, nicht nur in Deutschland. Nach der Auskunft, dass die Verletzungen schwer, wenn auch zum Glück nicht lebensbedrohlich sind, das rechte Bein aber mehrfach geschädigt ist, wächst die Erkenntnis: Von Tiger Woods dem Spieler, der wegen einer fünften Rücken-OP ohnehin vor kurzem eine Spielpause angekündigt hatte, wird man sich auf längere Sicht verabschieden müssen. Von der Vorstellung, der Superstar könne Jack Nicklaus Rekord von 18 Majortiteln noch einholen, wohl komplett.

Das Phänomen Woods
Und während die Ära des Golfers Woods nach fast einem Vierteljahrhundert zu Ende geht, fragt man sich: Wer sonst könnte der Golfszene ähnliche Gänsehautmomente – im positiven Sinn – bereiten? Ein Blick auf das Feld dieser Woche bei den World Golf Championships ergibt eine lapidare Antwort: Niemand – zumindest von jenen, die dort schon mitspielen.
Das Phänomen Woods hatte stets seinen ganz eigenen Reiz: Aufstehen um fünf Uhr morgens bei einer British Open gehörte für einen Journalisten zum Beispiel dazu, um dem Superstar bei einer Einspielrunde um sechs Uhr zu folgen – nur dann war während seiner Hochphase der Zuschauerstrom für den Amerikaner noch zu bewältigen. Sehr eigentümliche Interviews waren Teil des Programms. Einmal gehörte ich zum glücklichen Pool von drei Journalisten, die einen Telefon-Slot für ein Interview erhielten. Zugeschaltet aus der ganzen Welt, stellten wir die Fragen jeweils in einer 10minütigen Drehpause für einen American Express-Werbefilm. Das Interview zog sich über drei Stunden. Für Woods nahm so ziemlich jeder Journalist solch‘ eine Prozedur hin.
Schließlich war der Mann immer eine Garantie für Schlagzeilen, egal ob er Rekorde setzte, mit Lindsay Vonn als neuer Lebensgefährtin bei Masters und British Open auftauchte oder eben wieder einmal – so wie am Dienstag – eine private Katastrophe erlitt.

Magische Momente
All‘ den Negativ- Erlebnissen zum Trotz aber sind es die sportlichen Highlights, die man nie vergessen wird:
Da war der spindeldürre Teenager, der 1997 im Handumdrehen mit zwölf Schlägen Vorsprung Augusta National bei seinem ersten Masters-Sieg zerlegte.
Da war der brillante Stratege, der 2000 in St. Andrews in gleißender Hitze die Konkurrenz deklassierte und vier Tage lang nicht einen Ball in einen der Bunker auf dem Old Course spielte.
Man erlebte den ewigen Kämpfer, der 2008 bei der U.S. Open mit einer Beinverletzung das Playoff gegen Rocco Mediate über 18 Löcher zu Ende spielte und gewann. Schmerzverzerrt aber entschlossen.
Schließlich sorgte der  Superstar mit dem unschlagbaren Gespür für den Sieg 2019 für das größte Comeback im Sport mit seinem Sieg beim Masters. Es war sein 15. Majorsieg.
Dabei zu sein, sich das anzusehen, war ein Glücksfall für einen Journalisten. Es waren besondere Momente, die kein anderer Spieler in den vergangenen 25 Jahren ähnlich häufig kreierte. Magisch.

Die nächsten Tage werden die Krankenhaus-Bulletins aus Los Angeles zum Zustand von Tiger Woods  weit mehr Beachtung finden als die WGC-Workday Championship at the Concession in Florida. Für die Teilnehmer dort ist das übrigens ganz selbstverständlich. So selbstbewusst die Herren Koepka oder Johnson ansonsten auch sein mögen – im Vergleich mit Woods stellen sich alle artig hinten an.

Foto: Masters 2020/Courtesy Augusta National