Der Mann der Formeln
Er ist kurios, seltsam, anders, auf jeden Fall ziemlich intelligent. Und er ist erfolgreich. Bryson DeChambeau war noch vor zwei Jahren eine unbekannte Nummer. Vor einem Jahr, als er als amtierender US Amateur Champion bei der US Masters im amerikanischen Städtchen Augusta an den Start ging, meinte Rory McIlroy: „Ich weiß nicht viel über ihn, außer dass er erheblich klüger ist als ich.“
Inzwischen hat sich die Lage geändert. Jeder kennt Bryson DeChambeau – und das nicht nur, weil er anders ist, sondern weil er obendrein noch Erfolg hat. Im Frühsommer gewann der Kalifornier die John Deere Classic, in der Weltrangliste wird er inzwischen auf Position…geführt. Aus dem Typen, den hinter vorgehaltener Hand so viele Kollegen, den „verrückten Physiker“ genannt haben, ist ein Profi geworden, der mit Erfolg einen anderen Weg als seine Kollegen geht.
DeChambeaus Golf dreht sich um zwei Prinzipien, die in den Büchern „The Golfing Machine“ von Homer Kelley aus dem Jahr 1969 und Vector Putting von H.A. Templeton niedergeschrieben sind. Nachdem er sie als Teenager gelesen hatte, beschloss er mit 15 Jahren, einen Golfschwung zu entwickeln, den er „zero shifting motion“ nennt. Anders als alle seiner Kollegen schwingt er relativ geradlinig vor und zurück. Er schaffte sich außerdem mit 17 Jahren einen Satz Eisen an, bei dem alle Schläger die Länge eines Eisen 6 haben, 278 Gramm wiegen und nur in der Neigung der Schlagfläche variieren. Auf diese Weise, so die Überzeugung des ehemaligen Phsyik-Studenten der Southern Methodist University in Dallas, ist das Golfspiel deutlich einfacher.
- Auf DeChambeaus Wedges finden sich zahlreiche Zahlen eingraviert: alles physikalische Formeln, die er wichtig findet.
- Seine Kappe sieht antiquiert aus – ihn stört das nicht. Er fand eine dieser sogenannten Hogan-Caps, die der längst verstorbene Major-Sieger Ben Hogan immer trug, als 13jähriger in einem Proshop. Seitdem ist sie sein Markenzeichen.
- Er liebt „Tüpfeln“, eine Zeichenmethode, bei welcher der Künstler unzählige Pünktchen setzt und auf diese Weise ein Bild formt.
- Seine Unterschrift ist schwer lesbar. Nicht weil sie so unordentlich geschrieben wäre, sondern weil DeChambeau beschlossen hat, mit links und rückwärts zu unterschreiben. Es hat ihn Stunden gekostet, dies zu perfektionieren.
Sein größtes Erfolgsgeheimnis mag dabei die Besessenheit sein, mit der er seine Ziele verfolgt. „Ich bin nicht außergewöhnlich gut, aber ich gebe alles, hat er im vergangenen Jahr zu einem Reporter der US-Zeitschrift Golf Digest gesagt. „Ich kann überall gut sein, wenn mir etwas gut gefällt und ich mich reinhänge. Ich liebe Geschichte. Ich liebe die Wissenschaft. Ich liebe Musik. Ich liebe Golf. Ich liebe es zu lernen. Ich liebe das Leben. Ich liebe es, zu versuchen, überall der Beste zu sein.“
Der 24jährige selbst ist wild entschlossen „jede einzelne Variable in diesem Golf-Spiel zu verstehen.“ Auf die wissenschaftliche Weise. „Das ist sehr, sehr schwierig. Aber je mehr Zeit vergeht, desto besser versteht man die Variablen.“ Selbst die Golfbälle untersucht DeChambeau deshalb vor jeder Runde in einer Salzwasserlösung. Nur perfekte Modelle nimmt er mit auf die Runde. Sein großer Held bei all‘ seinem Golfspiel bleibt deshalb auch Tiger Woods, der in der Vorbereitung auf Turnierrunden ebenfalls als extrem akribisch galt. „Ich glaube, Tiger ist derjenige, der dem kompletten Golfverständnis bisher am allernächsten gekommen ist“, schwärmt DeChabeau. „Er war am nächsten dran, wenn es darum geht, wirklich jede Situation in der Welt des Golfsports zu verstehen.“
Schon als Schulkind maximierte der Junge aus Kalifornien sein Wissen ebenfalls manchmal auf etwas skurrile Art. In der Highschool lieh er sich ein Physik-Schulbuch mit 180 Seiten aus der Bibliothek aus und schrieb es komplett ab. Seine Begründung: „Meine Eltern hätten es mir ja kaufen können, aber sie hatten einfach schon so viel für mein Golf getan, dass ich sie nicht nach einem Buch für 200 Dollar fragen wollte….außerdem habe ich durch das Abschreiben, die Dinge viel intensiver verstanden.“
Seine wissenschaftliche Herangehensweise an den Sport hat ihm zuletzt sogar Ärger mit der United States Golf Association eingebracht, jener Organisation, die zusammen mit dem schottischen R&A für die Zulassung von neuen Schlägern und Regeln zuständig ist. Nachdem DeChambeau Ende vergangenen Jahres begann, frontal zu putten und dafür einen eigenen Schläger entwickelte, wurde der Putter von der USGA für nicht zulässig erklärt, was der junge Technikfreak überhaupt nicht fassen konnte: „Das ist einfach keine gute Organisation, da kann man mich auch zitieren. Ich bin Teil der Golf-Familie und es ist ziemlich frustrierend zu sehen, dass sie das Wachstum des Golfsports einfach behindern.“ Eigentlich, so DeChambeau gehe es nämlich keineswegs nur um sein eigenes Spiel. Wenn er einen Weg finde, Golf einfacher zu machen, sei dies auch eine Hilfe für Millionen von Amateurgolfern. Man kann also sicher sein: Der Erfinder Bryson DeChambeau lässt sich so schnell nicht stoppen.
Erschienen im Magazin Süddeutsche Zeitung Golf Spielen/Foto: Cobra Golf