Die Open als E-Game – Historie trifft Neuzeit
Wer gestern die Pressemitteilung des R&A zur kommenden British Open in Royal St. George’s las, konnte das Ausmaß der Corona-Krise für den Golfsport begreifen: Die Open, das älteste Golfturnier der Welt, ausgetragen seit 1860, ein Hort der Traditionen, gibt es jetzt als E-Open, weil die echte Open mit echten Spielern bei echtem Wind und auf echtem Gras schon vor Wochen abgesagt wurde.
R&A und E-Gaming – zwei Welten stoßen aufeinander
Wenn es einen Ort auf dieser Welt gibt, zu dem der Begriff E-Game nicht passt, ist es das Clubhaus des Royal & Ancient Golf Club of St. Andrews. Dieser mächtige Bau hinter dem ersten Abschlag des Old Course, in dem Memorabilia an jeder Ecke stehen, ehrwürdige Golfer aus alten Bilderrahmen blicken, wo vor dem Restaurant im ersten Stock eine chinesische Vase welcher Dynastie auch immer thront. Alles echt, alles zum Greifen, kein digitaler Klamauk.
Wenn hier, wo Old Tom Morris schon Ende des 19. Jahrhunderts ein und aus ging, plötzlich eine E-Open ausgerufen wird, weiß man: Die Golfwelt ist in den vergangenen Monaten eine andere geworden.
Das Schöne an dieser Premiere ist, dass wir alle mitmachen können. Offenes Qualifying ab dem 13. Juli gefolgt von ein paar Knockout-Runden vom 27. bis zum 30. August, bevor es beim Grand Final im September zum Showdown der acht Besten kommt. Das alles vom heimischen Sofa aus, mit dem Laptop auf den Knien.
Chinesische Performance für digitales Golf
In welchem Zustand die digitalen Grüns von St. George’s sein werden, ist mir im Moment noch ein Rätsel. Sicher aber ist, dass dieses Mal nicht irgendein eingefleischter Greenkeeper über die Grasqualität bestimmt, sondern ein begabter chinesischer Programmierer. YuChiang Cheng, der Präsident von Topgolf Media, deren Plattform WGT by Topgolf für die E-Open verwendet wird, hat gestern schon einmal wissen lassen, dass es eine „Reihe besonderer Herausforderungen, Belohnungen und besonderer Details in Royal St. George’s geben wird.“
Topgolf ist in gewisser Weise der Platzhirsch in Sachen E-Golf. 28 Millionen Spieler haben das kostenlose virtuelle Golfspiel bereits ausprobiert, insofern ist die Austragung eines kleinen Major-Turniers ja auch nur passend. Mastercard, ansonsten bei der Open als Sponsor aktiv, ist auch hier am Start. Einen Claret Jug, die Silberkanne für den Open-Sieger, gibt es bei der E-Open dann allerdings nicht. Soviel Vermischung von Echt und Digital geht dem R&A dann doch zu weit. Stattdessen winkt eine Once-in-a-lifetime Experience bei der Open 2021 für die Sieger.
Also noch einmal St. George’s. Dann aber echt. Mit Wind vom Meer, Salz in der Luft und einer Menge haushoher Dünen.
So wie die wirkliche Open eben ist. Könnte ein Realitätsschock werden für die E-Gamer.
Foto: Jason Livy