Golfclubs schaffen Emotionen – und die sorgen für Gemeinsinn

Es war Mitte Februar, als mir ein Clubpräsident folgende Zeilen schrieb: „Die große Gefahr für die Clubs kommt meiner Erkenntnis nach nicht von Fernmitgliedschaften, sondern davon, dass der soziale Boden erodiert.“

Heute morgen fand ich die Email eines Club-Geschäftsführers im Email-Postfach: „Aus gegebenem Anlass eine Themen-Anregung für einen Ihrer nächsten Kommentare: „Gemeinsinn und Golfer – zwei Welten prallen aufeinander“ oder: „Was interessiert mich der Rest der Welt – ich will Golf spielen!

Eine halbe Stunde vorher war schon eine Werbeemail eines Schlägerherstellers eingetrudelt, die den befremdlichen Titel „Covid-19 Sonderaktion“ trug und mir die Aufarbeitung meiner Wedges zum Sonderpreis verkaufen wollte.

Alles gesammelt ergibt sich der untrügliche Eindruck, dass der Ego-Trip in der Golfszene gerade wieder besondere Blüten schlägt – und diese Konzentration auf das eigene Ich offenbar schon vorher begonnen hat.

Nein, es ist nicht so, dass ich kein Verständnis dafür hätte, dass es für Proshops und Schlägerverkäufer derzeit eine sehr üble wirtschaftliche Phase ist, weshalb die Wedge-Aktion, die mir heute morgen angeboten wurde, erst einmal durchaus nachvollziehbar ist. Die Firmierung als Covid-19 Sonderaktion allerdings finde ich dann doch makaber. In der Hektik des Versuchs, doch noch ein paar Euros aus der Frühjahrssaison mitzunehmen, um das Schlimmste zu verhindern, hat der Verkäufer offenbar nicht mehr gedacht.

Genauso wenig wie die Golfer, die mich vorgestern Abend, als der Beschluss feststand, Deutschlands Plätze zu schließen, anriefen und meldeten, man werde sich am morgigen Dienstag trotzdem auf der Anlage treffen. Nein, das Clubhaussekretariat schaue nicht so genau hin und wenn die Grüns nicht gemäht seien, sei das auch kein Problem. Hauptsache raus, Hauptsache Golf, Hauptsache Ich.

Zugegeben: Der Begriff der Solidargemeinschaft Golfclub klingt ziemlich veraltet und unmodern. Und doch ist es vielleicht an der Zeit, darüber nachzudenken, was einen Golfclub ausmacht – mal abgesehen von einem hoffentlich tollen Golfplatz in einem hoffentlich tollen Pflegezustand.

Es sind zuerst einmal ziemlich emotionale Gegebenheiten:
Der Blick auf den leichten Tau auf einem noch ungemähten Grün morgens oder auf das 18. Grün abends, wenn die Sonne untergeht und man mit ein paar Bekannten auf ein Glas Wein auf der Terrasse sitzt.

Die immer wiederkehrende Begegnung mit Senior Müller samt seinem Hund jeden Mittwoch morgen von April bis September, der immer ein Stündchen vor mir spielt. Ein paar Sätze von Fairway zu Fairway gerufen. Eigentlich kennen wir uns nicht, aber gewöhnt haben wir uns schon aneinander.

Die Gewissheit auf der Driving Range ein paar Leidensgenossen zu treffen, die ebenfalls bemüht auf 110 Bälle hauen. Man stoppt dann irgendwann, redet ein paar Worte, haut wieder drauf. Wieder ein Schrottschlag.

Dann die Nervosität – vor dem Monatsglas, dem Jahresmatchplay oder der Clubmeisterschaft. Ein Match gegen andere Clubmitglieder ist gefühlsmäßig eine vertrackte Sache – aber wenn man es gemacht hat, merkt man – so übel war das gar nicht.

Golfclubs schaffen zuerst einmal Emotionen – und die verbinden. Was in Krisenzeiten bedeutet, dass man sich auf eben diese Bindungen verlassen kann. Man gehört zusammen – nicht nur, weil man den gleichen Jahresbeitrag gezahlt hat. Man passt sich an – gemeinsam – weil man nach der Krise – ebenfalls gemeinsam – ja wieder richtig loslegen kann.

Das Prinzip ist also eigentlich ein ganz Einfaches – beim Ryder Cup wird es alle zwei Jahre beschworen: Einer für alle Alle für einen. Beim Ryder Cup finden das alle Fans immer toll. Jetzt ist die Situation kein bisschen anders: Wir verzichten gemeinsam und wenn die Krise vorbei ist, spielen wir hoffentlich alle gemeinsam wieder Golf.