Ihr Job ist die Karriere – nicht die Förderung des deutschen Golfsports

Da ist ein Star – und der braucht eine Bühne. Damengolf ist plötzlich hip geworden in den letzten Tagen. Mit dem Sieg der 27jährigen Sophia Popov bei der AIG Women’s Open in Royal Troon ist die deutsche Sport-Öffentlichkeit in Aufregung geraten. Vom Auftritt im Aktuellen Sportstudio am kommenden Samstag bis zur Grußbotschaft an die Freunde von einst in Weingarten über den Südwestdeutschen Rundfunk – die Wahl-Amerikanerin mit deutschem Pass ist plötzlich in aller Munde.

„Was passiert mit dem Erfolg in Deutschland?“
Am Sonntag schrieb mir eine Freundin, einst Weltklassetennisspielerin und mit dem üblichen Auf und Ab im Sport vertraut: „Steht jetzt die deutsche Golfwelt Kopf, oder was passiert mit dem Erfolg in Deutschland?“ Sophia Popov selbst hat heute Mittag darauf geantwortet: „Ich glaube schon, dass wir jetzt Reichweite haben.“ Und: „Wir müssen das mit dem DGV schon richtig pushen.“

Es ist vielleicht an der Zeit, die Lage mal ein wenig zurechtzurücken, auch wenn der Blick im Rausch des Jubels ein wenig negativ scheinen mag:

  • Der Anteil der Mädchen bis 18 Jahren am deutschen Golfsport liegt bei zwei Prozent. Er ist rückläufig.
  • Es gibt seit Jahren kein Damenturnier mehr in Deutschland. Weder für die Ladies European Tour noch für die LET Access Tour.
  • Die Hauptzielgruppe im Marketing des Deutschen Golf Verbandes und in nahezu allen Golfclubs ist die Altersgruppe Ak 50+.
  • Es gibt – dies ist die positive Nachricht – mit Sophia Popov und Caroline Masson zwei deutsche Spielerinnen unter den Top 100 der Welt und mit Esther Henseleit und Olivia Cowan zwei weitere unter den Top 150. Das ist besser als Spanien, Frankreich oder Schweden.

Was schließen wir daraus?

  • Interessiert sich ein Mädchen in Deutschland für Golf, zeigt es obendrein Talent, wird es offenbar richtig gefördert. Ansonsten wäre der große Output bei einer derartig kleinen Basis kaum erklärbar.
  • Wir haben die Stars – aber sie haben keine Bühne. Dass Deutschland als einer der drei größten Verbände Europas kein Damenturnier auf die Bühne stellt, ist höchst verwunderlich und eigentlich beschämend. Warum die Deutsche Golf Sport GmbH als Vermarkter der Ladies German Open es nicht schafft, dieses Turnier zu organisieren und vermarkten, ist eine Frage, die beantwortet werden sollte. Die DGS wollte am Mittwoch dazu nicht Stellung nehmen.
  • Wenn eine junge Frau wie Sophia Popov in die Medien drängt, muss es in der Folge ein passendes Angebot auf Clubebene geben. Haben wir das? Gibt es spezifische Trainingsgruppen für Mädchen, Camps, Spielgruppen für Studentinnen oder junge Frauen? Eine Frage, die jeder Club für sich beantworten muss. Fest steht nur: Es reicht nicht, zwei neuinteressierte Mädchen mit in die nächste Jungsgruppe zu stecken. Wer mit Volleyball, Instagram oder Biken konkurrieren will, muss schon mehr bieten.

Und Sophia Popov?
Die 27jährige sollte einen genauen Blick auf die Karriere des Martin Kaymer werfen? Der saß 2011 nach seinem Sturm an die Spitze der Weltrangliste erschlagen in Wentworth bei einem Interview mit mir im Pressezelt  und zweifelte an seinem Beruf. Alle hatten gezerrt, gezogen und verlangt. Er sagte später: „Ich konnte mit vielen der Dinge, die in Deutschland passierten, nicht umgehen. Das war alles viel zu viel. Um ehrlich zu sein, das alles zu verkraften und gleichzeitig gutes Golf zu spielen, war extrem schwierig.“

Popov hat gerade ihren ersten Sieg in der ersten Liga des Damengolfs geholt. Ihre Karriere hat soeben erst begonnen. Sie muss in den nächsten Monaten beweisen, dass ihr Sieg keine Eintagsfliege ist. Sie kann versuchen, ihr wahres Potential auszuschöpfen und auf Dauer erfolgreich sein. Sie wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Deutschland bei Olympia vertreten und ist eine Kandidatin für den Solheim Cup. Ab sofort kann sie ihren Traum vom Dasein als Golfproette leben.

Ihr Job ist der Sport – aber für die Förderung des weiblichen Golfsports im Verband und in den Clubs ist sie nun wirklich nicht zuständig. Wir sollten sie einfach Golf spielen lassen – das klappt ja ganz gut.