Langer, Kaymer – jetzt Sophia Popov: Die Cinderella Story

Es ist die vielleicht ungewöhnlichste Pressekonferenz, die der deutsche Golfsport bisher erlebt hat. Mit Sophia Popov sitzt erstmals eine deutsche Majorsiegerin vor dem Mikrofon. Neben Bernhard Langer und Martin Kaymer ist sie die dritte Deutsche, die einen der größten Golftitel vorzuweisen hat. Gerade hat sie im schottischen Royal Troon die AIG Women’s Open gewonnen.

Am Sonntag abend ist sie alleine im Raum mit ein paar Offiziellen und Fotografen, weil dieses Turnier eben nie eine normale British Open der Frauen war. Aber als die Fragen der knapp über 30 Journalisten – normalerweise sind es bei einer British Open Hunderte – aus dem Lautsprecher ertönen, strahlt die 27jährige über das ganze Gesicht. Das Gefühl des Sieges hätte mit Zuschauern, Fotografen und Presse wohl nicht größer sein können.

Von Position 304 der Weltrangliste zum Majorchampion

„Das ist unglaublich sagt sie ein paar mal“, wohl wissend, dass mit ihr – der Nummer 304 der Weltrangliste – als Champion niemand gerechnet hat. Am Ende des dritten Tages, als sie abends die Anlage von Royal Troon als Führende verließ, ist Laura Davies, die Grande Dame des Damengolfs in Europa, im Auto an ihr vorüber gefahren. Sie hat das Fenster heruntergelassen und ihr gesagt: „Mach weiter, was Du heute getan hast. Bleib bei Deinem Spielplan.“ Sophia Popov hat sich abends die Schlussrunde von Henrik Stenson angesehen, der hier 2013 in einem denkwürdigen Match mit Phil Mickelson die British Open gewann. Sie hat über Laura Davies nachgedacht und dann an die Cactus Tour, diese Minitour in Arizona, die ihren Sieg in Royal Troon wohl erst möglich gemacht hat.

„Egal wie groß die Tour ist, die Nerven spielen immer mit und Du musst immer die richtigen Schläge machen,“ resümiert sie die kleinen Erfolge. Dreimal hat sie im vergangenen halben Jahr dort auf der Cactus Tour gewonnen, sich den Glauben an das eigene Spiel zurückgeholt. „Es ist unglaublich, dass Golf solche Geschichten erlaubt“, sagt sie heute, nachdem sie in den vergangenen sechs Jahren mit Borreliose, unzähligen Arztbesuchen, vielen Rückschlägen kämpfte.

Mutiges Spiel bis zum Finale 

Die Deutsche hat in Royal Troon vier Tage lang mit ihrem mutigen Spiel imponiert, selbst am Sonntag, als ein Bogey an Bahn 1 einen Kollaps anzudeuten schien. Die Sicherheit beim Putten, das Wissen um ihre exzellenten Eisen, ihr Freund am Bag ließen den Kollaps nie zu.

Sophia Popov ist an diesem Sonntag mit einem Gesamtergebnis von sieben unter Par um 675.000 Dollar reicher geworden, aber der Stolz ist erkennbar als sie erklärt: „Seitdem ich Profi geworden bin, habe ich von meinen Eltern keinen Cent mehr angenommen. Ich bin ein sparsamer Mensch, ich hatte zwei gute Jahre auf der LPGA, ich konnte mich die ganzen Jahre selbst finanzieren.“

Obwohl sie längst in TPC of Scottsdale in Arizona trainiert, ist der Kontakt nach Deutschland in den vergangenen Jahren nicht abgerissen. „Mit Stefan Morales versuche ich alle sechs bis acht Wochen per Video oder persönlich zu trainieren. Stefan begleitet mich oder kommt hier rüber.“ Erst mit der Corona-Krise ist das Training schwieriger geworden und der US-Coach Rob Rashell hat das Team ergänzt.

Am Montag geht es heim nach Deutschland

„Deutschland ist immer noch zuhause“, sagt sie am Sonntag abend in perfektem Englisch. „Ich muss einfach ab und zu immer hin und alles abchecken, was dort abgeht.“ Am Montag, nach einer Siegesparty im Hotel, wird sie zum ersten Mal seit November wieder in Deutschland sein. Als dritte Majorsiegerin des Landes neben Bernhard Langer und Martin Kaymer. Die erste Frau. Sie weiß, der Empfang wird unglaublich werden.

„Seitdem ich Pro geworden bin, hatte ich immer das Gefühl, dass eine von uns gewinnen kann“, sagt sie zum Abschluss noch einmal. Sie weiß, mit ihr hatte dabei eigentlich keiner gerechnet. Aber jetzt hält sie diese blitzende, silberne Trophäe ganz fest in der Hand. Sie lässt sie nicht los. „Daran könnte ich mich gewöhnen“, lacht sie. Sie weiß, der Golfsport hat wieder einmal eine unglaubliche Geschichte geschrieben – und sie ist die Hauptdarstellerin.