Golfsport im Hoodie befeuert die Modefrage

Keine Ahnung, ob sie im Wentworth Golf Club nahe London am Schwarzen Brett einen Aushang zu den Kleidervorschriften haben. Keine Ahnung, ob Tyrrell Hatton sie am Sonntag erfüllt hätte. Der 29jährige, Weltranglistenzehnter, hatte gerade die BMW PGA Championship und damit das zweitwichtigste Einzelturnier Europas nach der Open gewonnen und zog sich beim Bild vor dem Clubhaus mit der Trophäe im Arm für eine kurze Zeit die Kapuze über den Kopf. Er trug einen dunkelblauen Hoodie. Ein sehr ordentliches Stück – dunkelblau, keine Löcher, sportlich.

Stoff für das Vorurteil vom Sport der ewig Gestrigen
Trotzdem beschäftigt zumindest auf den britischen Inseln der Kapuzenpulli die Gemüter: Der Wearside Golf Club in Sunderland sah sich sofort bemüßigt, an seine Mitglieder einen Tweet zu versenden, in dem der Hoodie an sich zum unerwünschten Kleidungsstück erklärt wurde, genauso wie die „designer ripped jeans“. Die Reaktionen der Leser auf Social Media waren nicht die besten …wieder einmal hatte ein Golfclub das Vorurteil vom angestaubten Traditionalisten voll erfüllt.

Es ist an der Zeit, den Aushang mit dem Dress Code vom Schwarzen Brett einer Golfanlage abzuhängen.
Aus dem einfachen Grund, weil kein Dress Code dieser Welt dafür schützt, dass Golfer und Golferinnen auch innerhalb der Grenzen dieses Dress Codes so erscheinen, dass alle anderen den Kopf nach ihnen umdrehen.

Vor zwei Wochen traf ich auf einem Putting Grün auf eine komplett durchtätowierte Dame in perfekter Golfkleidung, die trotzdem für viel Aufsehen sorgte.
Am Sonntag stand bei einem größeren Turnier eine mittelalte Mitspielerin neben mir, deren Wollmütze mit zwei großen runden Fellohren ausgerüstet war. Mickey Mouse war nichts dagegen.
In Stoke Park, einer der traditionellsten und bekanntesten Golfanlagen London, spielten im Dezember zwei Mädchen in schwarzen Sport-Leggins vor mir – so wie es übrigens inzwischen zahlreiche Proetten auf der ganzen Welt tun. Sie sahen ziemlich gut aus.
Welches T-Shirt ist eigentlich freizügiger? Das mit Kragen aber einem riesigen Lochausschnitt am Rücken oder das ohne Kragen aber mit viel mehr Stoff?
Und warum soll die 15 Jahre alte ausgefärbte Winterhose des Altmitglieds mit zerschlissenen Taschenkanten passender sein als eine brandneue Jeans?

Stil ist nicht kontrollierbar
Die Mode ist vielfältig – überall. Stil ist individuell, er ist vor allem nicht kontrollierbar. Schon deshalb ist der Aushang mit den Bekleidungsvorschriften unsinnig. In gewisser Weise ist er sogar geschäftsschädigend, weil er das Vorurteil vom spießigen Golfclub nur untermauert.
Es gibt dieses Uralt-Zitat zum Thema Mode, das da lautet „man darf anders denken als seine Zeit, aber man darf sich nicht anders kleiden.“ Vielleicht ist es an der Zeit darauf zu vertrauen, dass die eigenen Mitglieder und Gäste den Stil der Zeit und ihrer Anlage kennen und sich diesem ohnehin gerne anpassen. Kein Mensch fühlt sich schließlich wohl, wenn ihn sein Umfeld für völlig deplatziert hält. Das gilt für den Golf-Traditionalisten im Uralt-Cashmere-Sweater mit diversen Motten-Löchern übrigens genauso wie für einen Teenager im extrem knappen Rock.