Wer Inspiration braucht, sucht am besten die Überraschung, ließ vor kurzem ein Mentalcoach zum Thema Corona-Depressionen im Abendfernsehen wissen. Nun, Depressionen waren es nicht, die der Grund meiner Küstentour von Lübeck an der Ostküste über Kiel und Flensburg ganz oben im Norden Deutschlands bis nach St. Peter-Ording an der Nordseeküste waren. Zwölf Golfplätze in drei Tagen, gerade ist die Tour vorbei.
Völlige Stille am Timmendorfer Strand
Wer sich dieser Tage einen Eindruck über den Zustand des Golfsports in Zeiten von Lockdown und Reiseverboten machen will, ist hier ganz richtig aufgehoben. Schleswig-Holstein nämlich ist das Bundesland, in dem sich wohl wie in keinem anderen in Deutschland die Ferienwohnungen und -häuser entlang der Küste ziehen. In den Sommermonaten 2020 wurden die Golfplätze überrannt von Touristen. Am Timmendorfer Strand herrscht dieser Tage dementsprechend Stille. Die Hoffnung auf die Öffnung von Restaurants und Hotels hat die letzte Ministerpräsidentenrunde am Montag begraben. Die Pizzeria Portobello und der benachbarte Chinese offerieren ein Take-Away Menü – ansonsten hat die Gastronomie die Schotten dicht. Es ist gespenstisch still in den Straßen und wundervoll ruhig am Strand. In der doppelstöckigen Range der Golfanlage Seeschlösschen stehen ein paar einsame Golfer und klopfen Bälle. Der einzige Lärm kommt von den Bauarbeiten an den Ferienwohnungen gleich nebenan. Man ahnt: Die Küste bereitet sich vor auf die nächste Sommertouristenwelle.
Die Ruhe jetzt ist die Ruhe vor dem Sturm
Denn eigentlich, das wird klar auf dieser Rundtour, sind die meisten Golfclub-Verantwortlichen guter Dinge. Auch hier berichtet nahezu jeder von einem deutlichen Anstieg der Mitglieder im vergangenen Jahr. Geschäftlich sei es die beste Saison in der Geschichte gewesen, so das Resümee im Golfpark Fehmarn – und das bei zwei Monaten weniger Öffnungszeit. Man mag das kaum glauben an einem Tag mit drei Grad plus, einer ordentlichen Brise von der See und vereinzelten Schneeflocken, die über den Golfplatz fliegen. Das Bild von einem vollen Golfplatz ist verdammt weit weg.
Der Optimismus ist groß
Nun ja, die Campingplätze und alle Betten seien im Sommer 2020 komplett ausgebucht gewesen, heißt es auch in St. Peter-Ording. Auf der 9-Löcher-Anlage sind ebenfalls gerade die Handwerker beschäftigt. Das Clubhaus ist innen frisch gestrichen, die Terrasse wird neu gebaut. Die Urlaubssaison kann beginnen – nach den positiven Erfahrungen 2020 machen sich die Verantwortlichen hier nicht wirklich Sorgen darüber, dass nicht auch 2021 gut laufen könnte. Corona hin oder her.
Eine Aussage, die aber nur stimmt, wenn es um reine Vereine geht, die vorrangig von Mitgliederbeiträgen und Greenfees leben. Klassische Hotelresorts im Fünf- und Vier-Sterne-Bereich gibt es vergleichsweise wenig in Schleswig-Holstein, sieht man einmal von Sylt ab. In diesem Segment aber bedeutet die Corona-Krise eindeutig eine Herausforderung: „Wir merken den Lockdown natürlich stark“, resümiert Dieter Worms, Inhaber des Golf-Resorts Gut Apeldör, einer Top-Anlage mit angeschlossenem Hotel. Jene, die sich hier derzeit einbuchen, sind Vertreter oder Handwerker. Von den Umsätzen, die ein klassischer Golf-Tourist hinterlässt, kann keine Rede sein.
Eine Runde Wind
Auf der Fahrt zum GC Büsum-Dithmarschen, direkt hinter dem Deich der Nordsee gelegen, führen die Straßen irgendwie ins Nirgendwo. Kein Auto in Sicht, viel platte Landschaft, weite Sicht. Weil der Himmel an einem weiteren trüben Tag gefühlt einen Meter über der Autodecke hängt, stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Golf im Monat März. Die Antwort gibt wenige Minuten später bei der Ankunft eine Gruppe Unverdrossener, die sich auf dem 18-Löcher-Platz in völlig unverbauter Landschaft in den Gegenwind stemmen und golfen. Bei drei Grad und erkennbar bester Laune. Sie sind nicht die einzigen auf dem Platz.
Die Tatsache, dass Golf ein Ganzjahressport ist, war mir nie so bewusst wie in diesen drei Tagen in Kälte und misslichem Wetter. Golfer nämlich waren reichlich unterwegs. Auf den Bahnen von Glücksburg mit Blick auf die dänische Küste ebenso wie in Lohersand, wo die 18 erstklassigen Löcher zwischen der dunklen Heide verlaufen. Für einen Bayer wie mich, der ansonsten während der Wintersaison in die schneebedeckten Berge des Voralpenlandes blickt, erinnerten nur die überraschend hügeligen Fairways von Kitzeberg, dem ältesten Club Schleswig-Holsteins, an heimische Gefilde. Ein paar hundert Meter entfernt vom Club steht man schon an der Kieler Förde. Weil kein Restaurant aufhat, bestelle ich an der Imbissbude Kiek Ut direkt am Wasser eine Suppe aus dem Pappbecher und schaue aufs Wasser. Kein Mensch ist hier, kein Tourist weit und breit. Nichts ist normal, alles ziemlich überraschend. Inspirierend, diese Golf-Küstentour. |