Olympia-Tickets: Das Gerangel beginnt

Es ist der Abgesang auf eine seltsame Saison: Bei der DP World Tour Championship in Dubai spielt Martin Kaymer diese Woche zum Saisonabschluss um die letzten Weltranglistenpunkte des Jahres. In Houston/Texas treten Sophia Popov, Caroline Masson und Esther Henseleit zur U.S. Women’s Open an. Das letzte der zahlreichen verschobenen Major-Turniere dieser Saison.  Um ehrlich zu sein: Das internationale Interesse hält sich in beiden Fällen in Grenzen. Profigolf ist im Moment nice to have – mehr aber eben auch nicht.

Dabei läuft speziell bei den Damen durchaus ein spannender Kampf um zwei heiß begehrte Tickets: Die Endphase der Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio beginnt. Im Juni fällt die Entscheidung. 60 Spieler/-innen pro Feld sind zugelassen, und wer als Nation – so wie Deutschland – keine Top-15-Sportler an den Start bringt, kann maximal zwei Starter pro Konkurrenz entsenden.

Die Wende 2020: Für Popov wie für Henseleit
Gut ein Jahr ist es her, da schien Olympia 2020 für die Hamburgerin Esther Henseleit so gut wie sicher. Die damals 20jährige hatte auf der Ladies European Tour brilliert, ein famoses Startjahr in die Profikarriere hingelegt, die Zukunft schien mehr als rosig. Zwölf Monate später ist die 21jährige die große Verliererin der Covid-19-Saison – und Olympia ist in weite Ferne gerückt.

Das Schicksal wendet sich schnell im Profisport. Als Sophia Popov (Bild), die wie Henseleit morgen in Houston auf die erste Runde der U.S. Women’s Open geht, im August auf wundersame Weise die AIG Women’s Open in Schottland gewann, avancierte sie über Nacht zur deutschen Nummer 1. Man hat viel spekuliert darüber, ob die 28jährige dem Erfolgsdruck standhalten könne. Popov hat bei den wenigen Turnieren seit ihrem großen Erfolg Stehvermögen auf der amerikanischen LPGA Tour bewiesen, nicht einen Cut verpasst, sich unter den Top 30 der Welt festgesetzt.

Der Star von 2019, Henseleit, dagegen hat auf US-Boden bei starker internationaler Konkurrenz vor allem Lehrgeld bezahlt. Die Bilanz:  Sechs Turnierstarts seit Beginn der Corona-Krise, vier Cuts verpasst, zwei Platzierungen jenseits der 50. Zum Glück verfallen die Spielberechtigungen in diesem Jahr nicht, ansonsten hätte die Hamburgerin ein Problem.  Das scheinbar so sichere Olympia-Ticket ist inzwischen eine eher unrealistische Option, weil Caroline Masson als Routinier auf der LPGA Tour unter den Top 50 der Weltrangliste auch ziemlich solide aufgestellt ist.

„Wir fahren da nicht als Kanonenfutter hin“
Doch Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft, und mit Popov hat schon eine Deutsche in diesem Jahr ein Erfolgsmärchen geschrieben. Weshalb für die 21jährige Henseleit noch die Hoffnung bleibt auf einen großen Sieg, der alles wieder zurück in die richtigen Bahnen lenkt. Vielleicht diese Woche, vielleicht zu Beginn des nächsten Jahres. Im Golf Team Germany ist mit Popovs Sieg der Glaube an außergewöhnliche Taten gewachsen: „Solche Dinge sind natürlich auch bei Olympischen Spielen möglich“, hat Marcus Neumann als Vorstand Sport beim Deutschen Golf Verband vor kurzem mit Hinblick auf mögliche Olympia-Medaillen in Tokio gesagt. „Wir fahren da sicherlich nicht als Kanonenfutter hin.“