Tiger Woods belehrt die Kritiker eines Besseren/Artikel in der NZZ vom 29.10.2019

Viel fehlt nicht mehr, dann ist er allein an der Spitze. Ganz oben in der Golf-Hierarchie, in der sich Tiger Woods derzeit nur noch mit zwei Spielern um den ersten Platz rangelt.  Jack Nicklaus, der 79jährige Amerikaner ist ihm bei den Major-Siegen mit 18 Titeln um drei voraus. Mit dem inzwischen verstorbenen Sam Snead, der 1965 seinen 82. Sieg auf der US PGA Tour holte und damit den Rekord der meisten Titel auf der amerikanischen Tour hielt, zog Woods am Montag gleich, als er die  Zozo Championship in Japan gewann.

Es war ein souveräner Sieg, für den der 43jährige mit einer Führung von Tag eins weg die Basis legte.  Wer in den vergangenen neun Wochen, in denen Woods nach seiner fünften Knieoperation am linken Knie eine Spielpause einlegte, an seiner Spielfähigkeit zweifelte, wurde eines besseren belehrt.

Ein Feuerwerk von neun Birdies fackelte er in Runde eins ab, als er nur 64 Schläge benötigte. Nach drei Bogeys zum Start ging ein Ruck durch den Mann, und Tiger Woods brillierte. Und das bei einer Konkurrenz, die durchaus Weltspitze war. Rory McIlroy spielte ebenso in Japan wie Patrick Reed oder der British Open Champion Shane Lowry.  Alle jünger, keiner nur annähernd so von Verletzungen geplagt wie er. Am Ende gewann Woods mit drei Schlägen Vorsprung auf den Japaner Hideki Matsuyama.

„Es zeigt die Konstanz meiner Karriere“

„Es ist verrückt“, lautete seine Reaktion auf den 82. Sieg. „Es zeigt die Konstanz meiner Karriere.“ Der erneute Erfolg lässt all‘ die Pausen, die Krisen und Ungewissheiten seit seinem ersten Erfolg auf der US PGA Tour 1996 in Las Vegas fast vergessen. Als Tiger Woods sich im April 2017 einer Operation an der Wirbelsäule unterzog, dachte ein Großteil der Kollegen und Fachmänner im Golf, er werde nie wieder auf Weltklasse-Niveau Golf spielen können. Eineinhalb Jahre später gewann er die Tour Championship, in diesem Frühjahr das US Masters, nun die Zozo Championship.

Der witzigste Satz des frischgekürten Champions im Anschluss an die Siegerehrung betraf den President’s Cup, der am 12. Dezember auf dem Platz von Royal Melbourne in Australien beginnt. Tiger Woods selbst wird bei diesem Match zwischen den USA und dem Team International  als US-Kapitän vor Ort sein. Nächste Woche vergibt er die vier Wilds Cards für die zwölfköpfige Mannschaft. „Ich glaube der Spieler hat mit Sicherheit das Interesse des Kapitäns geweckt“, kommentierte Woods die Frage, ob er sich selbst mit einer Wild Card bedenken und als Playing Captain an den Start gehen werde.

„Es wäre dämlich, wenn er sich nicht selbst wählen würde, weil man ihn im Moment eigentlich nicht schlagen kann, vor allem nicht im Matchplay-Format“, gab selbst der amtierende U.S. Open-Champion Gary Woodland zu. Der müht sich seit Wochen ab, einen guten Eindruck beim Teamchef zu hinterlassen, um ebenfalls eine der vier Wildcards für den President’s Cup zu bekommen.

Brooks Koepka und Rory McIlroy werden Nebensache

Fest steht:  Mit seinem Sieg hat der 43jährige Woods seine jüngeren Kollegen im Schnelldurchgang aus den Schlagzeilen gedrängt. Brooks Koepka wird zur Nebensache – und das obwohl er derzeit die Spitze der Weltrangliste besetzt. Seit ein paar Wochen diskutiert er mit dem Weltranglistenzweiten Rory McIlroy über Social Media, wer denn nun wirklich der Beste der Welt sei. „Seitdem ich auf der Tour bin, hat Rory kein Major-Turnier mehr gewonnen“, ließ er wissen. Der Nordire, der gerade zum „Player of the Year“ der US PGA Tour gewählt wurde, konterte: „Fünf Spieler auf der Welt könnten die Hand heben und sagen, sie seien im Moment die Besten.“

Tiger Woods schwieg dazu. Wortgefechte wie dies hat er längst hinter sich gelassen. Dass er derzeit die Nummer 1 der Golfszene ist, bleibt unbestritten, der Sieg bei der Zozo Championship hat diese Tatsache nur bestätigt.  „Congratulations @Tiger Woods on #82. You are, my friend, the GOAT“, postete die Ex-US Außenministerin Condoleezza Rice auf Twitter.

Der einzige Golfer, der Golf über die Grenzen hinaus bekannt macht

Die Reaktion der Politikerin zeigt, weshalb Woods für den Golfsport weit wichtiger ist als all‘ seine Kollegen: Er macht diesen Sport nach wie vor über seine eigenen Grenzen hinweg in der Öffentlichkeit populär. Als einziger Golfer kann er in Sachen Medienaufmerksamkeit mithalten mit einem Lionel Messi oder Roger Federer. Der Amerikaner hat seit 1990 zwölfmal und damit häufiger als jeder andere Sportler weltweit die Forbes-Rangliste der höchstbezahlten Sportler weltweit angeführt.  Selbst mit 43 Jahren wurde er im Juni an Position 11 mit einem Einkommen von 63,9 Millionen Dollar aus Preisgeld und Werbeverträgen geführt. Kein anderer Golfer kam unter die Top 30.

Eine Rangliste, die auf absehbare Zeit so bleiben wird. Schon deshalb, weil Tiger Woods mit schöner Regelmäßigkeit für neue Rekorde sagt. „Es ist verrückt“, hat er am Montag gesagt. Wie wahr.

Foto: Rolex/Chris Turvey