Das deutsche Team mit Kaymer und Masson
Es gibt nicht mehr viel, was Tiger Woods lockt – aber die Olympischen Spiele tun es. Und: Das Internationale Olympische Komitee lechzt nach Woods – mehr als nach jedem anderen Sportler. „Das ist eine Erfahrung im Leben, die man nur einmal macht“, resümierte der inzwischen 44jährige im vergangenen Herbst. Nie war er einer Teilnahme an Olympischen Spielen so nah wie jetzt – und doch steht gleichzeitig alles auf der Kippe.
Woods, der bisher nur einmal bei Olympischen Spielen war – 1984 als Teenager zusammen mit seinem Vater beim Bogenschießen in Los Angeles – müsste einer von vier Amerikanern sein, die in den Top 15 der Weltrangliste zu finden sind, um das Ticket für Tokio zu lösen. Noch wird er in der aktuellen Qualifikationsrangliste (Stand 21.1.2020) auf Position 4 hinter Brooks Koepka, Justin Thomas und Dustin Johnson geführt. Tatsache aber ist: Patrick Cantlay hat ihn am Wochenende überholt. Eigentlich ist Woods derzeit nur der fünftbeste Amerikaner. Vier Startplätze pro Nation aber werden maximal vergeben – und das ohnehin nur dann, wenn sie sich unter den Top 15 der Weltrangliste finden.
Das IOC will den Superstar Woods
Das IOC träumt schon lange vom Olympia-Teilnehmer Woods, womöglich als Fahnenträger des US Teams. „Die allererste Frage, die sie uns gestellt haben, war: Wird Woods spielen“, erinnert sich der Amerikaner Ty Votaw, der für die International Golf Federation an den Verhandlungen mit dem IOC beteiligt war, noch heute. Das war 2008 und Woods zählte neben Usain Bolt, Roger Federer oder Michael Phelps zu den überragenden Einzelathleten im Sport.
Woods Turnierplan in dieser Saison wird sich deshalb zuerst einmal nach Olympia richten. Allein die Major-Turniere haben für ihn noch einen ähnlichen Stellenwert, nachdem er die Spiele in Rio de Janeiro wegen einer Verletzung verpasste. Woods, der Überflieger, der schon nahezu alles gesehen hat, erlebt dieser Tage, dass es eben viel schwieriger ist, sich als Amerikaner für Olympia zu qualifizieren, als wenn man zum Beispiel Norweger, Finne oder auch Deutscher ist. All‘ diese Nationen stellen wahrscheinlich zwei Spieler, die in der Weltrangliste aber zum Teil überhaupt nicht unter den Top 100 geführt sind.
Ein oder zwei Startplätze für die deutschen Herren?
Das gilt auch für die potentiellen deutschen Teilnehmer: Martin Kaymer hat seinen Platz für Tokio als bester Deutscher schon so gut wie sicher, nachdem die Qualifikation am 22. Juni endet und jede Nation auf jeden Fall einen Startplatz erhält. Sebastian Heisele ist nach momentanem Stand die Nummer 2. Der 190. der Weltrangliste hat mit dem Spielvermögen eines Tiger Woods wenig gemein, in Sachen Tokio könnte er aufgrund der Regularien aber die Nase vorn haben. Wobei Heisele bei einer Verschlechterung seiner Ranglistenposition (derzeit 190) auch noch komplett aus dem Feld fallen könnte.
Ähnlich wie Woods geht es übrigens der Goldmedaillengewinnerin von Rio de Janeiro Inbee Park aus Südkorea. In keinem anderen Segment ist eine Qualifikation für Olympia ähnlich schwierig wie unter südkoreanischen Damen, die den weiblichen Golfsport seit Jahren massiv dominieren. Inbee Park, derzeit immerhin die Nummer 14 der Welt, ist derzeit gerade einmal der zweite Ersatz für Tokio. „Diese Gelegenheit, noch einmal bei Olympia zu starten, ist meine Priorität schlechthin“, meinte die 31jährige am Wochenende. Aber vier der Südkoreanerinnen vor ihr belegen immerhin die Weltranglistenpositionen eins, zwei, sechs und sieben.
Caroline Masson hat ihr Ticket schon gesichert
Verglichen damit läuft der Wettbewerb im deutschen Lager recht entspannt. An Caroline Masson, der einzigen Deutschen unter den Top 50 der Weltrangliste, führt kein Weg vorbei. Esther Henseleit liegt derzeit auf dem zweiten Rang der Olympia-Qualifikation vor Sandra Gal.
Was allen Teilnehmern – allen voran Tiger Woods – vollkommen klar ist: Keine andere Trophäe im Golf ist so leicht zu gewinnen wie Olympisches Gold. Das Feld ist auf 60 Spieler begrenzt. Aufgrund der Qualifikationskriterien nimmt ein wesentlicher Teil der Weltspitze nicht teil – auch wenn in diesem Jahr anders als in Rio de Janeiro wohl alle Qualifizierten tatsächlich anreisen werden.
Der Olympische Gedanke „Dabei Sein ist alles“, schlägt im Golf also voll zu Buche. Zu den 60 Herren im Feld werden reichlich Spieler gehören, die kaum jemand kennt – während Tiger Woods womöglich zuhause vor dem Fernseher von Medaillen träumt.