Der ewige Tüftler – es geht um mehr als Länge

Die Längendebatte ist mit voller Wucht zurück – wieder einmal. Kein Wunder, nachdem Bryson DeChambeau den extrem schwierigen Platz von Winged Foot mit einem Gesamtscore von sechs unter Par bei der U.S. Open in die Knie zwang. Und das, obwohl er nur 23 von 56 Fairways während des Turniers traf. Was in den Tagen seit Sonntag folgte, waren die üblichen Rufe nach der Regulierung der Fluglänge der Bälle.

Die ewige Suche nach dem Optimum
Forderungen, die der Leistung des Mannes nicht gerecht werden. Bei Bryson DeChambeaus Weg in die Spitzengruppe der Golfer geht es um vielmehr als um Länge. Es geht um die permanente Suche nach dem perfekten Spiel – unabhängig von allen Konventionen und gängigen Spielweisen.
DeChambeau ist als physikverliebter Tüftler bekannt, als Spieler, der nichts lieber tut, als den Tag mit seinem Team auf dem Trainingsgelände zu verbringen. Immer auf der Suche nach neuen Daten, unbekannten Schlussfolgerungen, nicht beachteten Analysen. Es gehört reichlich Mut dazu, einen Schwung auszutesten und zu verinnerlichen, der in einem Buch aus dem Jahr 1971 angepriesen wird, den aber sonst kein Profi nützt. Es gehört Mut dazu, mit einem Schlägerset auf die Runde zu gehen, das in dieser Form kein einziger Hersteller verkauft. Es ist ziemlich bewundernswert, wenn ein Spieler selbst vor dem eigenen Körper nicht stoppt und mit einer Extrem-Protein-Diät eine Metamorphose von einem schlanken Kerl zu einer Art Hulk des Golfsports durchmacht. Das alles ohne Erfolgsgarantie.

Leidenschaft bewirkt Größe
Bryson DeChambeau weiß, dass es Reaktionen auf seine extrem langen Schläge von Seiten des R&A und der USGA geben wird – wahrscheinlich in Form von neuen Regularien. „Ich bin mir sicher, dass irgendetwas passieren wird. Aber ich weiß nicht, was es sein wird.“ Es stört ihn auch nicht, es reizt ihn vielmehr weiter zu tüfteln. Das ist am Ende die Leidenschaft, welche Größe ausmacht – sich hinwegzusetzen über die Betrachtungsweise der Mehrheit ist schwierig, sie erfordert die Begeisterung für ein Thema und Glauben an sich selbst. Schließlich lauert ständig der Absturz ohne Sicherheitsnetz – und der ewige Spott der Konkurrenz.
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll, weil er genau das Gegenteil vom dem tut, was ein U.S. Open Champion eigentlich tun sollte. Aber er hat einen Weg gefunden“, hat Rory McIlroy dem Kollegen nach seinem Sieg Respekt gezollt. „Es ist nicht die Art und Weise, wie man diesen Platz, dieses Turnier eigentlich spielen würde.“ Aber es war offenbar die erfolgreichste.
Das Phänomen Bryson DeChambeau wird also weiter Thema bleiben. Es hat für Diskussionsstoff gesorgt, weil schöne Lehrschwünge wie von Adam Scott eben offenbar nicht mehr allein der Weg zum Erfolg sind. Erfolg, das hat der 27jährige DeChambeau am Sonntag endgültig bewiesen, ist am Ende ein sehr individueller Weg. Einer, der Kreativität erfordert, Hingabe. Dafür sollte man dem neuen U.S. Open Champion applaudieren. Dass er den Ball superlang schlägt, ist eben nur ein Detail der ganzen Geschichte.