Dauerthema Grüns – wieviel Speed macht Sinn?
Es wird eine Horrorwoche auf den Grüns – das wissen Rory McIlroy & Co. Wenn die besten Profis der Welt zur U.S. Open antreten, rückt ein Thema alljährlich in den Mittelpunkt der Diskussionen: Die Schnelligkeit der Grüns. Schließlich ist die Schwierigkeit der Puttflächen bei diesem Major-Turnier Legende und hat bei diversen Veranstaltungen wie 2004 in Shinnecock Hills zu empörten Beschwerden zwecks Unspielbarkeit geführt.
Wie schnell soll ein Clubgrün sein?
Das Thema Grüngeschwindigkeit spaltet eben – auch im ganz normalen Standardclub. Wie schnell darf oder muss ein Grün sein? Ist Grüntreue wichtiger als Geschwindigkeit? Vor allem aber: Kann nur ein erstklassiger Golfer auch mit schnellen Grüns umgehen und die breite Masse der Golfer braucht langsame Puttoberflächen?
Wer glaubt, die Fragen mit Blick auf die sogenannten Stimpmeter-Zahlen für Grüngeschwindigkeit beantworten zu können, täuscht. Die United States Golf Association gibt zwar Richtwerte für Grüngeschwindigkeiten vor, die aber für jeden Platz relativiert werden müssen. „Eine Geschwindigkeit, die auf einem Platz mit platten Grüns passt, kann auf einem Platz mit ondulierten Grüns leicht zu schnell sein“, resümiert Paul Jacobs, der für den U.S. Open-Ausrichter USGA in Amerika Grüns beurteilt. „Der Zustand von Profiturnieren wie einer Porsche European Open geht auf einem normalen Platz sowieso nicht“, gibt auch Christian Steinhauser, Vorstandsmitglied des Greenkeeper Verband Deutschland, zu bedenken. „Je kürzer die Grüns sind, desto mehr stehen sie unter Stress und bekommen dann Krankheiten.“ Aufgrund der harten Pflanzenschutzmittel-Auflagen in Deutschland ist deren Bekämpfung aber schwierig, weshalb Steinhauser sagt: „Ich versuche eher konstant gute Grüns über das ganze Jahr zu erreichen.“ Auch über die Festigkeit der Grüns, deren Treue, die Grasauswahl und bestimmte Pflegemaßnahmen lässt sich demnach eine gute Grundschnelligkeit erreichen.
Breaks lesen kann jeder Golfer lernen
Fest steht: Schnelle Grüns sind nicht nur für gute Golfer geeignet. „Das kann jeder lernen“, resümiert Christian Marquardt von Science & Motion Sports, in Deutschland eine Instanz, wenn es ums Thema Putten geht. „Das Problem, das wir in Deutschland haben, besteht darin, dass schnelle Grüns dann sehr knifflig werden, wenn die Golfer sie nicht kennen. Sie sind es einfach oft nicht gewohnt. Vor allem das Putten mit Break kann man aber lernen.“ Und das, so Marquardt, funktioniert eigentlich in jeder Handicapklasse ganz gut: „Das Lesen der Grüns hat mit dem Handicap nichts zu tun. Wenn ich es einem Schüler im Unterricht erkläre, dauert es meist eine halbe Stunde, bis er das raus hat.“ Von Überforderung auf schnellen Grüns, so seine Analyse, kann keine Rede sein – im Gegenteil: „Die Leute sind gefordert und können das lernen. Das macht das Spiel doch interessant.“
Eine Auffassung, die deutsche Top-Golflehrer teilen. „Wir brauchen gute Grüns und das bitte kontinuierlich und nicht nur wochenweise sondern konstant“, konstatiert Peter Wolfenstetter, der neben zahlreichen Profis auch normale Clubgolfer im GC Olching betreut. „Nur so können die Leute wirklich putten lernen. Vor allem macht es aber auch viel mehr Spaß.“
„Die größte Schwierigkeit sind die Breaks“, pflichtet auch Nicole Gögele, viel mit dem deutschen Damen-Nationalteam unterwegs, dem Kollegen Marquardt bei. „Bei Golfreisen ins Ausland stellt man bei normalen Hobbygolfern immer wieder fest, dass die Spieler damit kämpfen keine Breaks lesen zu können.“ Genau das ist aber auf schnelleren Grün wesentlich: „Eine minimale Veränderung im Speed bedeutet oft eine maximale Veränderung im Break“, erklärt Marquardt.
Putten ist das Spiel im Spiel
Wer auf Dauer auf schnelleren Grüns puttet, erkennt schnell. Putten ist das Spiel im Spiel – eine Kunst. „In dem Moment, wo es langsam wird, verkommt Putten zum Anhängsel des langen Spiels“, gibt Marquardt zu bedenken. Ein wesentlicher Teil des Golfspiels geht verloren.
„Grüns sind auf dem Golfplatz wie der Gesichtsausdruck eines Porträts“ hat der amerikanische Golfplatzdesigner George Thomas dazu einmal gesagt. Sie haben Ausdruck, sie sind charakterstark, manchmal fordernd – und damit aber auch kein bisschen langweilig.
Foto: Kevin Murray