Corona-Krise beendet die Startzeit-Debatte

Der Corona-Gewinner im Golfclub wird gesucht – der Champion ist schnell gefunden. Es ist eine Sie, „Startzeit“ ist ihr Name. Oftmals gescholten, häufig verachtet, nur teilweise verwendet vor dieser Corona-Krise, die auch im Golfsport so vieles verändert hat.
Die Startzeit ist jetzt auf jeder Golfanlage obligatorisch und deshalb kein Fall mehr für Diskussionen zwischen Befürwortern und Gegnern, die sich früher bei Jahreshauptversammlungen erbitterte Wortwechsel lieferten. Mit der staatlich verfügten Verordnung hat sich jedes Wortgemenge erübrigt – stattdessen bleiben nun Monate, um das System in jedem deutschen Club auf Herz und Nieren zu testen.

Datenanalyse ermöglicht mehr Wirtschaftlichkeit
Das große Plus der Startzeit ist so manchem Clubmanager und Vorstand inzwischen klar geworden: Ein Startzeitsystem liefert Daten über Rundenzahlen, Vielspieler, Ballungszeiten, Leerräume, Jugendliche und Senioren auf dem Platz und vieles mehr. Wo es Daten gibt, ergibt sich die Möglichkeit zur Analyse und zur Optimierung des wirtschaftlichen Betriebs. Nichts anderes ist eine Golfanlage, selbst wenn der kleine Zusatz „e.V.“ Vereinsgemütlichkeit vorgaukelt.  Aber weil selbst ein klassischer Verein ohne Einnahmen und Kostenübersicht nicht sinnvoll arbeiten kann, braucht auch er die Daten, die er dieser Tage frei Haus geliefert bekommt.
Er muss sie nur noch nützen: Die große Corona-Gewinnerin Startzeit leidet nämlich in dem einen oder anderen Club noch ein wenig unter der fehlenden Expertise des Personals. Die Digitalisierung hat so manchen Golfclub ebenso kalt erwischt wie das eine oder andere Altmitglied, das sich weiterhin hartnäckig weigert, selbst per Smartphone eine Startzeit zu reservieren.

Mit der Startzeitbuchung ist die Spezialbehandlung im Club Vergangenheit
Keine Fragen, Startzeiten haben schließlich auch ihre Tücken, die so mancher Neuling noch nicht kennt. Ich verweise an dieser Stelle gerne auf die Absurdität der Atomuhr-App, mit der mich eine Bekannte vor Jahren überraschte, als sie mir erklären wollte, wie man garantiert auf einer vollgepackten Anlage eine Startzeit ergattert, wenn sich die Buchungsmaske um 12 Uhr mittags öffnet: Atomuhr-App fünf Minuten vorher öffnen, Zeigefinger gespitzt und Punkt 12 Uhr auf das gewünschte Zeitfenster drücken. Pech für alle, die zu spät am Knöpfchen sind. Im Corona-Sommer 2020 wird jeder Golfer zum gewieften Smartphone-Bucher – ob er will oder nicht.
Digitale Buchungsformen sind nicht gemacht für Sonderbehandlungen, Schummeleien oder festgefahrene Systeme. Wer glaubt, ein Anruf Samstagabend beim Clubmanager mit dem Wunsch nach einer Abschlagzeit Sonntagmorgen um zehn Uhr an Tee 1 sei die Rettung, wird schmerzlich erkennen, dass dem Mann die Hände gebunden sind, weil der Sonntag seit Tagen gebucht ist. Die Zeiten des ausgerollten roten Teppichs für das Altmitglied sind vorbei. Gleiche Regeln für alle, heißt die neue Devise.

Der Kampf an Tee 1 ist Geschichte
Und: Der Greenkeeper hat endlich Planungssicherheit. Wo sich bis dato an heißen Sommertagen gerne Frühaufsteher um 5.30 Uhr zur Sonnenaufgangs-Runde trafen und dem Greenkeeping-Team beim Mähen der Grüns ins Gehege kamen, ist jetzt eben gesichert Ruhe auf dem Platz. Pflegefenster werden eingebucht, Störgolfer, die sich nicht ans System halten, schnell identifiziert.
Deutschlands Plätze sind voll seit dem Restart, voller denn je. Ohne Startzeiten, auch das lässt sich erahnen, wäre der Wettlauf vom Parkplatz zum Tee 1 längst Standard, das freche Einspielen an Bahn 10 populär wie nie zuvor und die Ballspirale permanent zum Platzen voll.
Die undemokratische Verordnung des Startzeitensystems hat vor allem einen erstaunlichen Nebeneffekt: Man hört kaum Beschwerden. Es wird einfach gebucht und gespielt. Schließlich gibt es schlichtweg keine Alternative und vor allem keinen Schuldigen im Club. Das Gros der Clubmanager hofft längst, zum Jahreswechsel 2021 könne sich kein Mitglied mehr an die alten Zeiten erinnern und die schöne neue Welt der Startzeit sei fixiert für die nächsten Jahre.
Wohl kaum: Mit dem Corona-Impfstoff werden auch in den Golfclubs wieder die Begehrlichkeiten nach mehr Freiheit wachsen. Die Freiheit, sich zur Prime-Time am ersten Abschlag drängeln zu dürfen, war für so manchen Golfer ein hoch geschätztes Gut. Keine Ahnung warum.