Mit Tempo an die Aufarbeitung
Wahrscheinlich ist es für die Golfszene an der Zeit, einen roten Strich unter das Corona-Chaos zu ziehen, sich mit den Beschränkungen zu arrangieren und ansonsten vor allem nach vorne zu blicken.
Was haben wir gelernt? Dieser Fragestellung sollte man sich ab sofort widmen. Wenn möglich schnell – Tempo, so eine wesentliche Erkenntnis der letzten Monate, ist grundsätzlich von Vorteil.
Der Golfer an sich, so lautet unisono die Bilanz von drei Verantwortlichen, hat sich im Verlauf dieser ganzen Pandemie innerhalb der Golfgruppe als solidarisch erwiesen. „An die Schutzkonzepte, da haben sich die Golfer und die Clubs sehr gut gehalten“, resümiert Reto Bieler von Swiss Golf. Claus Kobold, Präsident des Deutschen Golf Verbandes, sieht das genauso. Auch Arne Malte Uhlig, Präsident des Bayerischen Golfverbandes, verweist trotz der anhaltenden Schließung der Plätze in Bayern einmal abgesehen von vereinzelten Social Media Rowdys auf eine gute Haltung.
Die Macht der Sportverbände ist begrenzt
Weniger positiv ist die Erkenntnis ob des eigenen Status: Die relative Machtlosigkeit von Sportverbänden in Pandemie-Zeiten ist klar geworden. „Wenn wie in Groß Kienitz bei Berlin das Verständnis für den Sport nicht da ist, wird nach dem Schema F entschieden und dann eben die Anlage geschlossen“, resümiert Kobold. Hinzu komme, so die Erkenntnis seines Kollegen Uhlig in Bayern, dass eben auch nicht mehr auf das Rechtssystem zurückgegriffen werden könne, weil Gerichte überlastet seien und/oder unter Umständen zu spät entscheiden. Dann nützt die beste Klage nichts.
Start mit der Lobbyarbeit
Der Sport, so eine weitere wesentlich Lehre, ist eben doch weit mehr als vermutet auf den guten Willen von Behörden angewiesen. „Beim Thema Umwelt kennen wir in Bayern alle im Ministerium, da sind wir gut aufgestellt“, hat Uhlig erkannt. „Aber im Gesundheitsministerium – da kennt uns keiner.“
Sein Kollege Bieler hat in der Schweiz, wo seit 1. März wieder alle Golfanlagen geöffnet sind, eine ähnliche Lernkurve hinter sich: „In Bundes-Bern habe ich gelernt, dass wir gute Beziehungen zu den Ämtern haben, aber bei den Parlamentariern waren sie schlecht und beim Bundesrat ganz schlecht.“ Swiss Golf hat bereits Konsequenzen gezogen und einen Berner Lobbyisten engagiert, der damit begonnen hat, sich um eine Verbesserung der Beziehung zu kümmern. In Bayern steht Uhlig bereits in den Startlöchern: „Wir müssen uns mehr um die Behörden kümmern“, stellt er fest.
Spitzensport ist nur Shishi
Vor allem um all‘ jene Behörden, die für das Thema Gesundheit zuständig und damit in Pandemiezeiten relevant sind. Die Imagefrage von Golf kommt wieder ins Spiel und auch die generelle Frage nach der Relevanz von Sport: Wie laut darf man als Sportverband werden mit seinen Forderungen? Auf jeden Fall lauter als gedacht, sagt Uhlig: „Wir müssen fordern statt bitten“, aber auch in Zukunft – so Kobold – nur mit den anderen Sportarten zusammen. „Das Wichtigste ist, keine Sonderregeln für Golf“.
Gelernt hat man viel über die Betrachtungsweise des Golfsports, der nicht als Wirtschaftszweig sondern als Freizeitbeschäftigung verstanden wird. „Spitzensport“, so hat eine Freundin neulich zu mir gesagt, die jahrelang Weltspitze war, „ist in Krisenzeiten sowieso nur Shishi.“ Eine nette Zugabe also, die nicht wirklich jemand kümmert. Das bekommen derzeit auch die Veranstalter der BMW International Open und der Porsche European Open zu spüren, die sich mit ihren Veranstaltungskonzepten bei den Genehmigungsbehörden in die Warteschlange anderer Events aus Kunst und Kultur einreihen.
Solide Finanzen bleiben Pflichtprogramm
Die Betrachtungsweise von Golf nur als Sport dürfte auch für Anlagenbetreiber eine wesentliche Lehre im Hinblick auf die finanzielle Ausstattung bedeuten: Knapp gezogene Budgets, auf Kante gerechnet, sind in Zukunft ein Unding, weil Finanzhilfen in Krisen nicht sicher sind. In der Schweiz sind 1,8 Millionen Franken Staatshilfe an Swiss Golf geflossen, die zu zwei Drittel für den Breitensport zu einem Drittel für den Spitzensport mit den Profiturnieren vergeben wurden. In Deutschland ist die Unterstützungslage unübersichtlicher.
Die große positive Erkenntnis, dass Golf als gesunder Outdoorsport, angesichts gestiegener Mitgliederzahlen 2020 mehr Zukunftspotenzial hat als lange vermutet, darf man bei all‘ dem natürlich nicht vergessen.
Sie stimmt positiv – aber berauschen sollte man sich nicht an ihr. Im Rausch vergisst man andere Baustellen so schnell – und von Baustellen haben wir doch alle erst einmal genug.