Von Japan lernen – Erfolg ohne Wumms

Mit dem Respekt sei das so eine Sache, erzählte mir ein Clubmanager einer großen Golfanlage in Baden-Württemberg vor zwei Wochen. Der Respekt vieler Golfer vor dem Personal, vor dem anderen Mitglied, vor Regeln und Gepflogenheiten sei inzwischen oftmals dahin. In Zeiten begrenzter Startzeiten, neuer Vorgaben, der Corona-Stresslage tun wir uns anscheinend hart damit, das eigene Ich mal etwas kleiner zu fahren.

Matsuyama repräsentiert mehr als nur sich allein
Insofern war der Blick nach Augusta vergangene Woche sehr hilfreich. Es gewann ein 29jähriger, der schon vor Beginn der Woche ein Idol in seinem Heimatland Japan war, Millionen-Verträge hat und sich trotzdem benimmt wie ein Mann aus der zweiten Reihe. Hideki Matsuyama wird nach seinem Masters-Sieg dem Hype um seine Person in Japan nicht mehr entgehen können, aber nicht nur die Verbeugung seines Caddies am 18. Grün des Augusta National Golf Club hat gezeigt: Wir dürfen von dem jetzt Weltranglistenvierzehnten eine andere Art von Außendarstellung erwarten als wir sie ansonsten von zahlreichen Top-Verdienern im Sport gewohnt sind. Matsuyama wird repräsentieren – nicht nur sich selbst, sondern sein Land, den Golfsport in Japan, seine Landsleute.

Wer in Japan gewinnt, siegt immer auch für andere: „Dies ist eine riesige Leistung für die japanische Golfwelt“, hat Jumbo Ozaki Matsuyamas Erfolg kommentiert. Auch er ist eine Legende im japanischen Golf, Achter beim Masters 1973. „Die Leistung beruht auf Mr. Matsuyamas Fähigkeit Herausforderungen anzunehmen.“ Dass ein Spitzengolfer den anderen mit Mister tituliert, sagt alles über den Respekt aus, den hier ein Golfer dem anderen entgegenbringt.

Nach Japan fahren und nach Unbekanntem suchen
Für Europäer ist die Golf-Destination Japan weitgehend ein Mysterium. Die Nachfrage danach, so Silke Bellgardt vom Golfreise-Spezialisten golf.extra sei gering, „auf jeden Fall geringer als die Nachfrage nach Thailand, Vietnam oder Kambodscha“. Golf in Japan klingt eben weniger nach Palme, Beach und Loslassen als nach kunstvolllen Zen-Gärten, Lunch-Zeremonien nach der Neun und der ständigen Gefahr beim japanischen Mitgolfer mit dem falschen Benehmen sofort an Bahn 1 zu versagen. „Nach Japan fahren vor allem Golfer, die nach wirklich Neuem suchen“, erklärt es Bellgardt, die selbst eine Reihe der Top-Plätze besucht hat.

Davon hat das Inselreich eigentlich viele. Mit knapp 2500 Golfplätzen finden sich hier mehr Golfkurse als in allen anderen Ländern Asiens zusammen. Ein Großteil der Top-Designer hat zahlreiche herausragende Golfplätze gebaut  – als Europäer kennt man sie nur nicht.

Leises Auftreten – großer Erfolg
First Class, aber international weitgehend unbekannt – so könnte man das Stadium der japanischen Golfszene insgesamt beschreiben: Als Hinako Shibuno 2019 die Women’s British Open für sich entschied, war sie ein unbeschriebenes Blatt im Damengolf. Ein Profiturnier außerhalb Japans hatte sie zu diesem Zeitpunkt noch nie bestritten. Sie kam, lachte höflich und gewann das Major.

Golf in Japan steht für den leisen Auftritt mit Erfolg. Es scheint, man kann von Japan lernen.

Foto: Courtesy Augusta National Golf Club/Masters 2021