Gretchenfrage: Wieviel ist mir der Golfsport wert?
Reden wir über Geld. Über Exklusivität und das Verramschen. Über Wertigkeiten und das, was mit dem Golfsport in den letzten sechs Wochen in Deutschland so passiert ist.
Eine erste Begegnung am ersten Abschlag eine deutschen Traditionsclubs: Ein älterer Herr, sagt zu mir „Wir müssen mit den Preisen rauf, wir müssen wieder exklusiver werden. Es ist zu voll.“
Eine zweite Begegnung, heute auf Instagram: Dort wird die Golf Alliance Karte für 29,90 Euro beworben, mit der man als Vollmitglied einer der 45 Partneranlagen auf allen anderen greenfeefrei spielt. Nur sonntags und an Feiertagen nicht. Mit knapp über 1000 Euro Jahresgebühr ist man – je nach Anlage – im Rennen.
Exklusiv versus superbillig – und das in einer Golfszene, die gerade einen Sommer und Herbst mit viel Zulauf und vollen Plätzen hinter sich hat. Was ist passiert?
Als in Deutschland der Boom im Golfsport Mitte der 80er Jahre lief, waren Mitgliedschaften verglichen mit heute teuer und die Plätze relativ leer. Man kam auf den Platz und spielte in aller Ruhe vor sich hin.
Dann wurde Golf zu einer Art Volkssport, Mitgliedschaften wurden billiger, die Plätze voller. In den letzten Wochen, als die Corona-Haushaltsregeln und Reisebeschränkungen über uns hereinbrachen, waren auf den meisten Plätzen eigentlich durchgängig Teetimes ausgebucht. Buchungssysteme bei Clubs brachen zusammen, weil täglich zur gleichen Zeit eine Heerschar von Golfern hoffte, auf dem Heimatplatz eine der kostbaren Teetimes zu ergattern. In den sozialen Netzwerken riefen Clubmanager zu Mäßigung und Rücksichtnahme auf; beim DGV-Online-Hearing am Samstag fragte ein Club an, was man denn mit Golfern anstellen solle, die nicht wirklich bereit seien, mit anderen Mitgliedern Teetimes zu teilen.
Was tun, wenn zu viele Spielwillige auf begrenzte Ressourcen zugreifen?
Die erste Möglichkeit ist einfach und ähnelt der Buchungsmethode im Flugzeug: Wer zwei Plätze bezahlt, hat eben einen Platz neben sich frei und darf sich ausstrecken. Wer auf einer Golfanlage bereit ist, mehr zu bezahlen, setzt auf höhere Qualität und bekommt diese dann hoffentlich auch geliefert. Weniger Mitspieler und mehr verfügbare Startzeiten könnten ein Bereich der Qualitätsoffensive sein.
Die zweite Möglichkeit, die des preisgünstigen Systems, besteht in der Kalkulation, dass ein Großteil der Spielberechtigungen, die verkauft sind, nicht ständig genützt werden. Golfer reisen, Golfer spielen andere Plätze, Golfer machen anderen Sport. Sprich: Sie sind nur selten da.
Freie Modellwahl – mit allen Konsequenzen
Die Corona-Pandemie hat beide Systeme in den vergangenen Wochen an ihre Grenzen geführt: Die Mitglieder teurer Clubs haben gelernt, dass es kein automatisches Anrecht auf eine tägliche Startzeit gibt und dass sie eben noch ein paar Hunderter pro Jahr drauflegen müssen, wenn sie noch mehr Ruhe wünschen.
Die Mitglieder der preisgünstigen Mitgliedschaften haben gelernt, dass ihre Anlage wirtschaftlich nur überlebt, weil sie ganz viele sind. Und weil sie so viele Mitglieder sind, müssen sie eben teilen. Ganz einfach.
Die Inhaber von Fernmitgliedschaften oder Golfer ohne Mitgliedschaft mussten feststellen, dass die Spielmöglichkeiten plötzlich gegen Null gehen, wenn ein Großteil jener Golfer, die mit ihren Jahresgebühren den Basisbetrieb einer Golfanlage finanzieren, ihre Anteile nützen. Wer sich nicht an den laufenden Kosten einer Anlage beteiligt, hat auch kein Spielrecht.
Eigentlich ist all‘ dies ganz selbstverständlich, weil der Golfsport in diesem Land ein Business ist. Der Golfer wählt ein Geschäftsmodell, das ihm zusagt. Der Preis bestimmt die Leistung. Die letzten sechs Wochen haben jedem Golfer sehr deutlich vor Augen geführt, für welches Produkt er sich entschieden hat. Es bleibt die freie Wahl zu entscheiden, ob dieses Modell passt oder nicht.
Eines allerdings gibt es in diesem Markt nicht: Die leere Spitzenanlage mit tollem Clubhaus und super Platz für 1000 Euro im Jahr oder als Teil einer Aktionskarte für 29,90 Euro.
Und falls es sie tatsächlich gäbe, wäre sie sehr schnell pleite. Außer sie hätte irgendeinen Gönner im Hintergrund – aber die sind eigentlich auch eher selten zu finden.