Digital kontrolliert geht Golf schneller
30 mehr oder wenigen Minuten bedeuten die Welt – zumindest wenn es um Runden auf dem Golfplatz geht. Auf dem spanischen Golfplatz Alcanada und im schottischen Carnoustie, bekannt als einer der Ausrichtungsorte der British Open, hat man das Minutenthema ziemlich im Griff. Vier Stunden 17 Minuten, so meldet man aus Mallorca, hätten 83 Prozent der gemessenen 3583 Runden 2019 gedauert. Ein idealer Golfrhythmus sozusagen. Und: Die durchschnittliche Spielzeit hat man sogar um vier Minuten gesenkt. Im schottischen Carnoustie senkte man während der Hochsaisonmonate 2019 die Spielzeit um 16 Minuten. Das Thema „Pace-of-Play“ auf Golfplätzen, international ein echter Reibungspunkt, hat sich auf beiden Anlagen zu einer durchaus angenehmen Thematik gewandelt.
Die Verbesserungen haben einen technischen Ursprung, in diesem Fall Tagmarshal genannt – eines der verschiedenen Systeme auf dem Golfmarkt, die sich die Optimierung von Spielzeiten zur Aufgabe gemacht haben. Bodo Sieber gründete die Firma 2014. Inzwischen wird das System von über 250 Golfanlagen weltweit genützt, hat mehr als zehn Millionen Runden Golf aufgezeichnet und wird unter anderem auf dem Ryder Cup Platz Whistling Straits und anderen Spitzenanlagen verwendet. „Golf ist ein sehr traditioneller Sport, da konnte man wirklich etwas reißen“, erklärt Sieber den Gründungsgedanken. Unter dem Motto „jede Runde zählt“ geht es darum das Spielerlebnis zu verbessern, die Spielzeit zu beschleunigen und dadurch am Ende die Aufenthaltszeit des Golfers im Restaurant, auf der Terrasse oder auch im Proshop zu verlängern, was sich wiederum positiv auf das wirtschaftliche Ergebnis auswirkt.
Lila Leuchten für Problemstellen
„Wir sind begeistert”, lautet die Analyse von Clubmanager Kristoff Booth aus Alacanada auf Mallorca nach drei Jahren mit dem digitalen System. „Der Spielfluß wird deutlich besser dadurch, dass man weiß, wo die Probleme auf dem Platz stecken.“ In Farben ausgedrückt: Sowohl auf dem PC als auch auf den Tablets der Marshalls leuchten lilafarbene Stresspunkte an den richtigen Stellen auf, wenn ein Flight andere Spieler blockiert. Rot steht für eine langsame Gruppe, die niemanden aufhält. Orange sind Spieler markiert, die aufgehalten werden.
„Big Brother is watching you“ lautet das Kernargument gegen derartige digitale Pace-of-Play-Systeme. „Unsere Mitglieder haben sich erst einmal mit Händen und Füßen dagegen gewehrt“, stellt Booth fest. Aber: Die positiven Einflüsse der Digitalsysteme überwiegen: „Der Marshall hat immer einen Überblick, was wo am Platz los ist, erklärt Both. Er kann sofort zur kritischen Stelle fahren und den Leuten anhand des Tablets das Problem auch erklären.“
Das Erheben vielfältiger Datenmengen zum Beispiel über Löcher, die besonders aufhalten oder Spielzeiten, die eher von schnellen Golfern genützt werden, trägt zu einer Optimierung des Ablaufs, besserem Rhythmus und damit mehr Zufriedenheit bei. „Bei einem Greenfee von 165 Euro zur Spitzenzeit ist die Erwartungshaltung unserer Kunden hoch. Da ist es wichtig, dass wir danach keine Klagen wegen schlechtem Spielfluss bekommen“, erklärt Alcanadas Clubmanager.
„5-Stunden-Runden braucht wirklich niemand“
Konstanter Einsatz von Marshalls, die systematische Kontrolle von Startzeiten sowie das durch R&A und USGA eingesetzte System „Ready Golf“ führen zu schnellerem Spielen. Auf den verschiedenen Anlagen des Betreibers Golf Range zum Bespiel, die mit rund 25.000 bis 30.000 Runden pro Jahr kalkuliert werden, ist der Marshall rund 1500 Stunden pro Saison pro Platz im Einsatz, die Spielgeschwindigkeit für neun Löcher liegt bei 120 Minuten.
„Fünf Stunden pro Runde braucht wirklich niemand“, resümiert Thomas Hasak vom BVGA, der aus Umfragen bei seinen Mitglieder-Anlagen allerdings weiß, dass speziell Turnierrunden durchaus auch ab und an beinahe das Sechs-Stunden-Limit reißen. „Texas-Scramble mit vier Personen ist offenbar besonders langsam.“
Dass Spielgeschwindigkeit am Ende auch durch Datenanalyse und -erhebung verbessert werden kann, haben international viele führende Golfanlagen bereits erkannt, während hierzulande häufig noch nach dem Prinzip der gefühlten Wahrnehmung agiert wird. Wie immer bei Gefühlen wird dann das Tempo Spielzeit eben auch schnell emotional – und läuft aus dem Ruder. Das sorgt für schlechte Stimmung – und wer will die schon Golf?
P.S. Nein, ich werde nicht von Tagmarshal bezahlt, und die Firma Tagmarshal hat hierfür auch keine Werbung bei mir geschaltet. Aber: Das Thema Spieloptimierung ist wesentlich, und die Idee finde ich einfach progressiv und sinnvoll.