Saudi International: Viel Geld und Politik

Emily Lawrence sitzt in Scottsdale/Arizona auf einer Clubhausterrasse und grübelt vor sich hin: „Mal sehen wie das dieses Jahr mit unserem Turnier wird. Ganz viele von den Top-Leuten spielen nicht mit.“ Die Dame, zuständig für den Golfsport beim örtlichen Tourismusamt, versteht die Welt nicht mehr. Irgendwie ist einem der aufregendsten Turniere der Welt ein arabischer Scheich in die Quere gekommen.
Die Rede ist von der Waste Management Phoenix Open vom 30. Januar bis zum 2. Februar, alljährlich das Turnier mit dem größten Partycharakter weltweit und Zuschauerrekordzahlen von mehr als 700.000 Personen während der Turnierwoche. Die Veranstaltung hat Konkurrenz bekommen von einem anderen Event in der Wüste: Das Turnier Saudi International, Teil der European Tour und veranstaltet auf der relativ neuen Golfanlage Royal Greens Golf & Country Club, findet in der gleichen Woche in der King Abdullah Economic City in Saudi Arabien statt. Sergio Garcia, Tony Finau, Brooks Koepka, Shane Lowry und Dustin Johnson treten unter anderem an. Phil Mickelson hat vor ein paar Tagen ebenfalls zugesagt – und verpasst erstmals seit 28 Jahren die Phoenix Open neben seinem Heimatort Scottsdale. Siebenstellige Antrittsgelder locken die Topstars nach Saudi Arabien.

Ich schlage Millionen von Dollar aus, aber ich werde nicht in Abu Dhabi und Saudi Arabien spielen, weil ich mich richtig verhalten will

Die Sache sorgt für Tumult und Diskussionen in der Presse und auf sämtlichen Social Media Kanälen. Zu Recht. Beim Turnier Saudi International geht es nämlich bei weitem nicht nur um ein weiteres Turnier in der Wüste oder um eine von vielen Sport-Veranstaltungen in Ländern, die Probleme mit der Beachtung der Menschenrechte haben. Saudi Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman, der mit der „Vision 2030“ an der Unabhängigkeit des Landes von der Ölindustrie arbeitet und seit vergangenem Jahr massiv den Golfsport in Saudi Arabien promotet, gilt eben nicht nur als Verfechter von Wirtschaft und Sport sondern auch als wahrscheinlicher Drahtzieher der Ermordung des amerikanischen Journalisten Jamal Kashoggi im Konsulat Saudi Arabiens in Istanbul im Oktober 2018. Andere Topprofis, darunter Tiger Woods, Rory McIlory oder Francesco Molinari, meiden das Turnier deshalb. „Ich schlage Millionen von Dollar aus, aber ich werde nicht in Abu Dhabi und Saudi Arabien spielen, weil ich mich richtig verhalten will“, ließ McIlroy wissen.
Bei genauer Betrachtung könnte die Situation tatsächlich kaum absurder sein: Auf der einen Seite die Waste Management Phoenix Open: ein Schauplatz mit mehr als 200 Golfplätzen im näheren Umkreis, golfverrückten Fans und einer langen Historie. Gleichzeitig auf der anderen Seite ein Event, das im vergangenen Jahr die wenigsten Zuschauer der ganzen Saison aufwies und in einem Land liegt, das von Touristen weitgehend gemieden wird. Das Auswärtige Amt schreibt übrigens unter anderem auf seiner Website: „ Die Sicherheitslage in Saudi Arabien ist weiterhin von der Möglichkeit terroristischer Anschläge geprägt.“ Die militärische Auseinandersetzung mit dem Jemen präge die Lage in Teilen des Landes.
Neben der European Tour der Herren richtet nun allerdings auch die Ladies European Tour 2020 erstmals im The Royal Greens Golf und Country Club ein Turnier aus. Das Preisgeld ist mit einer Million Dollar für die LET extrem üppig, die Spielerinnen Carly Booth, Amy Bould und Rachel Drummond wurden kurzerhand zu Botschafterinnen erklärt. Auch dieses Turnier dürfte kaum dazu beitragen, dass Saudi Arabien plötzlich als touristisches Ziel für Frauen attraktiv wird. Das Auswärtige Amt empfiehlt weiterhin für Frauen das Tragen der Abbaya, des schwarzen Ganzkörperumhangs, im Land, auch wenn dies rein rechtlich nicht mehr nötig ist. In die Kritik geriet Kronprinz Mohammed bin Salman auch, weil er Anfang 2018 in einer spektakulären Verhaftungswelle zahlreiche Frauenrechtlerinnen des Landes festsetzen ließ. Dazu hat sich die Ladies European Tour nicht geäußert.

Die Frage, wie viel Repressionen und Überschreitungen der Menschenrechte noch tragbar sind, wenn dafür Millionen in den Golfsport und die Taschen einzelner Spitzensportler fließen, stellt sich beim Saudi International in bisher unbekanntem Maß. Phil Mickelson jedenfalls, der auf Social Media die vergangenen Tage argumentierte, er wolle den Wachstum des Golfsports mit seinem Start in Saudi Arabien unterstützen und außerdem „eine großartige Erfahrung machen“, erntete dafür auf seinem Twitter-Account heftige Kritik.
Fest steht: Von der Vorstellung, dass sich der Golfsport anders als Fußball oder die Olympischen Spiele, schwierigen politischen Verhältnissen in einem Land entziehen könne, hat man sich seit Jahren verabschiedet. Beim Saudi International aber scheint die Grenze überschritten. Die Waste Management Phoenix Open ist in der gleichen Woche ein erfreuliches Alternativprogramm. Kein Antrittsgeld für die Spieler, tolle Stimmung, super Platz. Sport eben. Und erfreulich wenig Politik.